Kirchspiel Lutzk

Kirchspiel Luzk (gegr. 1899)

Die Stadt Luzk wurde Sitz eines neuen Kirchspieles ("ständige Adjunktur") für den Südteil des Kreises Luzk. Es umfaßte 24 Schulgemeinden und über 6.400 Gemeindeglieder. Diese Zahl wuchs auf ca. 10.000 im Jahr 1913. Gottesdienste in Luzk wurden anfangs in den Wohnhäusern der Gemeindeglieder, im Gymnasium von Luzk und selbst in einem jüdischen Haus in der Vorstadt abgehalten. Im Jahre 1902 schenkte die Stadt der Gemeinde das Gelände des ehemaligen Karmeliterklosters mit der Bedingung, hier eine Kirche zu errichten und die zum Kirchplatz führende Karmeliterstraße zu pflastern. Die Einweihung der im gotischen Stil gebauten Kirche wurde im September 1907 von Generalsuperintendent PINGOUD vollzogen. Der Vorsitzende des Kirchenrates Julius ROSENBAUM spielte eine bedeutende Rolle bei diesem Projekt. 8)

Das russische Militär verhaftete Pastor LOPPE (zusammen mit anderen Pastoren) 1915 für 10 Tage um abzusichern, daß alle Gemeindeglieder die Verbannung ohne Widerstand hinnehmen. Die 1918 zurückgekehrten Kolonisten, die im Konfirmandensaal einquartiert waren, betreute er mit voller Hingabe. Als unter ihnen der Flecktyphus ausbrach, tat er weiter seinen Dienst, dabei erkrankte er selbst und starb am Karfreitag 1919 (Wortlaut laut KNEIFEL geändert). Sein Bruder Siegfried Oskar LOPPE versuchte kurzzeitig, seinen Platz einzunehmen. Da er aus Suwalki kam, welches zum Warschauer Konsistorium gehörte, wird hier vielleicht der Beginn der Übertragung der Führung der westwolhynischen Kirchspiele vom St. Petersburger zum Warschauer Konsistorium markiert. Später in jenem Jahr wurde Pastor BERGMANN aus Cholm vom Konsistorium beauftragt, nach Luzk zu gehen.

Das Kirchspiel erholte sich wieder unter der Leitung von Pastor KLEINDIENST, der einmal monatlich die Gottesdienste in polnischer Sprache abhielt. Neue Kapellen und Schulen wurden in Zielona, Harazdza und Kadyszcze gebaut, andere wurden repariert. Die Schwabenkolonie von Gnidawa unterstützte besonders mit viel Elan und Geldspenden anstehende Bauprojekte, so auch den Bau eines neuen Pfarrhauses im Jahr 1928. Unter der Leitung von KLEINDIENST wurden der "Wolhynische Bote" von 1927 bis 1936 und der "Wolhynische Volkskalender" von 1935 bis 1938 herausgegeben. KLEINDIENST war sehr aktiv in staatsbürglichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Er war in den Leitungsgremien verschiedener karitativer Institutionen und außerdem Vorsitzender der "Arbeitsgemeinschaft deutscher Pastoren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen".

Kleindienst leitet die Herausgabe obiger Publikationen, alle Kirchspiele in Polnisch-Wolhynien waren bei der Schriftführung und den Kosten beteiligt.

(Anmerkung des Übersetzers: Das genannte erste Erscheinungsjahr des "Wolhynischen Volkskalenders" ist ein Druckfehler bei KNEIFEL. Dieser Kalender erschien erstmals im Jahr 1935 und die Wochenzeitung "Wolhynischer Bote" endete mit der letzten Ausgabe am 29. März 1936.)

Trotz seines positiven Wirkens gerieten er und Luzk im Jahr 1938 in ernste Konflikte mit der Regierung und dem Kirchenkonsistorium. Die 3-klassige Schule in der Stadt, die größte in Wolhynien, wurde von der Schulbehörde in Rowno im März des Jahres geschlossen. Die Kirche in Luzk beschwerte sich bei der Regierung und beim Konsistorium, aber ohne Erfolg. Der Luzker Kirchenvorstand ersuchte das Wojewodschaftsamt, den täglichen Markt auf dem Platz vor der Kirche zu verlegen, weil die Wagen den Zugang zum Pfarramt und zur Kirche versperrten. Das Konsistorium wurde gebeten, ob für den scheidenden deutschen Vikar Otto FRANK ein neuer deutscher Hilfsprediger ernannt werden kann, aber dies wurde ebenfalls abgelehnt. FRANK war als Ablösung für Pastor KLEINDIENST geplant, der von seiner Position enthoben und aus Wolhynien verbannt wurde, seinen Paß von 1923 erklärten die Behörden für ungültig. Trotz einer Vielzahl von Protesten, Bittschreiben an das Konsistorium und Beschwerden beim Obersten Verwaltungsgericht wurde Pastor KLEINDIENST nicht nur die polnische Staatsangehörigkeit verweigert, sondern man entzog ihm auch die Aufenthaltsgenehmigung auf dem Gebiet der Wojewodschaft Wolhynien. KNEIFEL ist sich sicher, daß hinter diesen ganzen Vorfällen nur die Kirchenpolitik und die "Polonisierungs"-Bestrebungen von Bischof D.J. BURSCHE stecken konnte. 13)

(Anmerkung des Übersetzers: Text leicht abgeändert am Absatzende, um inhaltlich die Vorgänge etwas genauer darzustellen.)

Die Pastoren des Kirchspiels Luzk

1899 – 1904 Arnold Friedrich HOFFMANN
1905 – 1911 Woldemar Alexander SCHLUPP
1911 – 1915 Siegmund August LOPPE
1918 – 1919 Siegmund August LOPPE
1919 – 1921 Theodor BERGMANN (aus Cholm)
1921 – Okt. 1938 Alfred Rudolf KLEINDIENST
Oktober 1938 – administriert von Otto FRANK, Vikar

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Evangelische Gemeinden im Kirchspiel Luzk

Adamow+ (bei Oderade) Janowka*+~ (bei Tortschin) Nowaja Semlja (Nowaja Kotowskaja)+
Alexandrin Josefine+ (bei Gorodok) Oliuka+
Alt-Antonowka*+~ Kadischtsche (Kadyszcze)+~ Oseriane (Beljajewskoje Oseriane)
Antoniewka (bei Podhaizy or Podhaitsch) Karlinowka+ Ploschtscha (Ploschtscha-Lomanowskaja)+
Beljajewskoje Oseriane Kolodesh (Natalin-Kolodesh)*+ Poddubiz+
Bogumilow+ (bei Okorsk) Kutschkarowka+ Podhaitsch (Antoniewka-Podhaizy)+
Bonassuwka+ Lidowka+ Pulganow+
Choika-Popowka+ Lipowez+ Roshanez (Roshanez-Boruchow)+
Gnidawa (Hnidawa)+ Ludwikow*+~ Sabara-Haty+
Gregorowka+ Ludwischin+ (near Schepel or Szepel) Wsewolodowka+~
Guidow*+ Luzk (Luck) Zielona~
Harazdza (Harazda)+~ Natalin* (bei Kolodesch)
Huschtscha+ Neudorf (Nowaja Rakontschisna)*+~ (near Tortschin)


Zeichenerklärung

" * " Kennzeichnung für Eigentümerkolonien
" + " bezeichnet eine Ortschaft mit einer Schule (und einem darin genutzten Betsaal)
" ~ " steht für eine Ortschaft mit eigener Kapelle


Quellen:

PINGOUD, G.: "Die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Rußland", herausgegeben von der Unterstützungs-Kasse für Evangelisch-Lutherische Gemeinden in Rußland; Band 1: "Der St. Petersburgische und der Moskowische Konsistorialbezirk", St. Petersburg, 1909

8) ebenda, Seiten 216 – 218

KNEIFEL, Eduard: "Die evangelisch-augsburgischen Gemeinden in Polen 1555 - 1939", Selbstverlag des Verfassers, Vierkirchen 1971

13) ebenda Seiten 190 – 192

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